Wuhu, die nächste Leserfrage hat mich erreicht: 🙂
Hallo Katja!
Danke für deinen Blog und die vielen Informationen. Zu einem Thema habe ich aber nichts gefunden. Mein Azubi Mustafa* ist im ersten Lehrjahr und will zum Ramadan fasten. Ich hab echt Schiss, dass er mir da umkippt oder irgendwelchen Mist macht. Darf ich ihm das verbieten?
Mach weiter so! Daniel*
(* Namen geändert)
In Deutschland leben zwischen 4 und 4,5 Millionen Menschen1, die ihren islamischen Glauben ausleben und somit während des neunten Monats des islamischen Mondkalenders fasten – darunter natürlich auch Auszubildende. Ansich steht der Begehung des Ramadan nichts im Wege – denn in Deutschland gilt die Religionsfreiheit, welche auch den freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken vom Morgen bis zum Abend einschließt.
Doch die Entsagung bringt vor allem an heißen Tagen das Risiko mit sich, dass dein Auszubildender
- sich eventuell schlechter konzentrieren kann, da der Detox von Zucker, Koffein, Nikotin, Alkohol und anderen Giften im Körper zu Entzugserscheinungen führen kann.
- möglicherweise dehydriert ist, wodurch seine Leistungsfähigkeit enorm leidet.
- müde ist, da erst in der Nacht getrunken und gegessen wird – wodurch er erst später ins Bett kommt und es zu einem Schlafmangel kommen kann.
Bevor ich näher auf die Fragen eingehe,
- wie du darauf reagieren kannst,
- ob man das Fasten verbieten kann und
- was passiert, wenn der Auszubildende gar nicht mehr in der Lage ist zu lernen,
möchte ich zunächst näher darauf eingehen was der Ramadan ist und warum er für gläubige Muslime so wichtig ist.
Ramadan FAQ
Im Folgenden gehe ich auf die wichtigsten Fragen zum Thema Ramadan ein. Beachte bitte, dass ich keine Koran-Expertin bin. Falls du Anmerkungen und Hinweise hast, hinterlasse mir gern einen Kommentar!
PS: Falls du selbst nachlesen möchtest, findest du weitere Informationen dazu im Koran, Sure 2, Verse 183 bis 187.
Was ist der Ramadan?
Hierbei handelt es sich um den Fastenmonat der Muslime im neunten Monats des islamischen Mondkalenders. In diesem sollen die Sünden durch den Ramadan (das Wort “ramad” stammt aus dem arabischen und bedeutet so viel wie Trockenheit und Hitze) verbrannt werden. Ziel ist es, die Seele des Fastenden zur läutern und reinigen.
Früher gab es eben noch keine Organisationstools wie heute. Daher orientierte man sich an den Mondphasen. Ein neuer Mond begann mit dem Neumond. Sobald die Mondsichel sichtbar wurde, wusste man früher, dass ein neuer Monat anbrach. Wenn der Mond einige Wochen später verschwand wusste man ebenso, dass das Ende des Monats nahte.
Wann beginnt und endet der Ramadan?
Das beantwortet der Gesandte Allah wie folgt: “Fastet erst nach der Sichtung (des Neumonds) und brecht das Fasten erst nach seiner Sichtung.”
Als Laie kann man damit sicher wenig anfangen. Daher habe ich dir im Folgenden eine Tabelle mit den wichtigsten Terminen zusammengestellt:
Jahr | Termine* |
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2019 |
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2020 |
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2021 |
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2022 |
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2023 |
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2024 |
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2025 |
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2026 |
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2027 |
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* alle Angaben ohne Gewähr 🙂
Wie lange dauert der Ramadan? Was, wenn der Mond nicht sichtbar ist?
Auch hierauf hat der Gesandte Allah eine Antwort: “Wenn er (der Neumond) bedeckt ist, so zählt dreißig (Tage).”
Für wen gilt der Ramadan?
Er gilt für alle volljährigen und gesunden (dazu zählt sowohl geistig als auch körperlich) Muslime. Ausnahmen gibt es für Minderjährige, wenn diese Unterscheidungsvermögen besitzen.
Laut dem Koran können Kranke und Reisende (bzw. Abwesende) die Tage später nachholen, an denen sie nicht fasten konnten. Dies gilt der Interpretation vieler Experten nach auch für Frauen mit Menstruation, Schwangere und Stillende. Darüber hinaus gilt die Speisung eines Armen als Ersatz für das Fasten.
Was soll während des Ramadan vermieden werden?
Hier solltest du moralische und materielle Dinge unterscheiden.
materieller Verzicht | moralischer Verzicht |
---|---|
tagsüber:
|
|
In den Versehen des Korans geht es allerdings vorrangig um die Tätigkeiten Essen, Trinken und Geschlechtsverkehr. Macht man etwas davon trotzdem tagsüber, ist das Fasten ungültig.
Wie lange sollen Muslimen täglich fasten?
Wie bereits erwähnt, gilt das Gebot zwischen der Morgen- und Abenddämmerung. Genauer sagt der Gesandte Allah:
- Beginn des täglichen Fastens: “der weiße Faden vom schwarzen Faden der Dämmerung erkennbar”
- Ende des täglichen Fastens: “vollendet das Fasten bis zur Nacht”
Leider ist das Ganze etwas vage ausgedrückt und so kommt es, dass der Beginn der Abenddämmerung in jedem Land unterschiedlich ist. Ein paar Beispiele aus dem Jahre 20182:
- Berlin: 18:20 Uhr
- Istanbul: 16:30 Uhr
- London: 18:18 Uhr
- Madrid: 16:23 Uhr
- Paris: 17:54 Uhr
- Sarajevo: 16:52 Uhr
- Rom: 16:36 Uhr
- Wien: 17:58 Uhr
- Zürich: 17:37 Uhr
Sollte die Sonne nie untergehen (wie beispielsweise am Nordpol), empfehlen viele, sich an den Zeiten Mekkas orientieren. Möglich ist aber auch, sich an den Sonnenständen in der jeweiligen Region zu orientieren.
Was kommt nach dem Ramadan?
Der zehnte Monat des Schawwal beginnt mit der Sichtung der neuen Mondsichel. Dies wird mit dem “Fest des Fastenbrechens” gefeiert. Bevor die Festlichkeiten beginnen wird zuerst das Gemeinschaftsgebet begangen, dann folgt die die Almosensteuer des Fastenbrechens, die an Bedürftige entrichtet wird. Danach wird das “Fest des Fastenbrechens” im Kreise von Verwandten und Freunden für drei Tage gefeiert.
Welche Rechte hat der Ausbildungsbetrieb wenn der Auszubildende weniger leistet
Auch wenn ich eingangs die möglichen Nebenwirkungen des Fastens beschrieben habe, heißt das nicht, dass es automatisch zu Problemen kommen muss. Tippfehler und andere kleine Fehler können schließlich auch dir unterlaufen.
Beachte immer, dass dein Auszubildender zwar die Lernpflicht hat und der auch nachkommen muss, du als Ausbilder aber die Lehrpflicht hast. Wenn dein Auszubildender also beispielsweise ein Angebot während des Ramadans falsch berechnet müsstest du dich genauso fragen, ob du den Fehler vermeiden hättest können, wenn du das Angebot noch mal kontrolliert hättest.
Problematisch wird es allerdings, wenn es gravierende Einschränkungen oder sogar einen Totalausfall des Auszubildenden gibt. Doch selbst dann kannst du dem Auszubildenden nach aktueller Rechtslage das Fasten zum Ramadan weder verbieten, noch ihm kündigen
Darf der Ausbildungsbetrieb das Fasten verbieten?
Wie die Fachanwältin für Arbeitsrecht Asma Hussain-Hämäläinen, LL.M. in einem Gespräch mit dem Kulturradio3 klarstellte, wiegt in diesem Fall das Interesse des Auszubildenden an der Ausübung seines Glaubens höher: “Der Chef kann das Fasten nicht verbieten (…) Der Arbeitnehmer hat ein Recht auf freie Religionsausübung. (…) Das Bundesarbeitsgericht neige bislang dazu, pro Religionsfreiheit zu urteilen.”
Übrigens ist auch das Kürzen der Ausbildungsvergütung nicht ohne weiteres möglich. Laut Frau Hussain-Hämäläinen wäre es bei Arbeitnehmern möglich , für einen Ausfall des Mitarbeiters Lohn einzubehalten: “Das führt zu einem gerechten Ausgleich. (…) Der Arbeitgeber kann die Leistung während dieser Zeit nicht verlangen und wird dafür auf der Kostenseite entlastet.” Auszubildende erhalten allerdings keinen Lohn, sondern eine Ausbildungsvergütung. Diese darf nur in einem Fall gekürzt werden: Wenn dein Auszubildender unentschuldigt fehlt4 – ansonsten ist der volle Betrag zu zahlen. Geht er also beispielsweise zum Arzt weil es ihm so schlecht geht und er bekommt ein ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das legitim und kein Grund für die Kürzung der Ausbildungsvergütung.
Darf dem Auszubildenden gekündigt werden?
Auf den ersten Blick mag es nahe liegen, dem Auszubildenden zu kündigen, wenn er seiner Lernpflicht während des Ramadans nicht nachkommt. Doch wie ist das rechtlich? Ein Blick in § 22 Kündigung – Berufsbildungsgesetz (BBiG) verrät, dass das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit (seitens des Ausbildenden) nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Eine Kündigung aus wichtigen Grund ist allerdings nur dann wirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten nicht länger als zwei Wochen bekannt sind.
Welche Fragen sich daraus ableiten?
- Sind das Fasten bzw. damit auftretende Probleme ein wichtiger Grund? Das ist wohl immer eine Einzelfallentscheidung des Gerichts.
- Ab wann gelten die zwei Wochen Frist? Ab der Bekanntgabe des Fastens während des Ramadans? Oder nach dem Probleme auftraten?
Möchte man sich als Ausbildungsbetrieb wirklich auf dieses rechtliche Glatteis begeben, sollten im Vorfeld unbedingt eine Ermahnung und Abmahnung wegen Verletzung der Lernpflicht erfolgen, auf deren Grundlage dann die Kündigung erfolgt.
Doch denk dran: wie die Arbeitsrechtsexpertin Asma Hussain-Hämäläinen betont, ist die Erfolgsaussicht sehr sehr sehr gering. Es gibt übrigens ein ganz spannendes Urteil vom Bundesarbeitsgericht zum Thema Kündigung aufgrund eines Glaubenskonflikts. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass dem gekündigten Arbeitnehmer zeitweise andere Aufgaben hätten übertragen werden müssen.5
Was kannst du also tun?
Im Folgenden möchte ich dir einige Anregungen geben, wie du mit der Situation im Unternehmen umgehen kannst. Ich weiß, dass das nicht immer einfach ist und es manchmal vielleicht auch an Verständnis mangelt…
Aber bedenke immer, der Ramadan ist zeitlich begrenzt und wenn du und ihr sonst ein sehr gutes Verhältnis habt und du zufrieden mit seinen Leistungen bist, werdet ihr auch das schaffen!
- Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass einige gleich den Kopf schütteln: Sprich noch vor dem Ramadan mit deinem Auszubildenden, wie er die Lage selbst einschätzt und ob es eventuell Aufgaben gibt, die er vielleicht in dem Zeitraum nicht übernehmen kann.
- Passe den betrieblichen Ausbildungsplan entsprechend an und verschiebe neue Ausbildungsthemen entweder in andere Monate oder lege die Unterweisungen an den Tagesbeginn.
- Hat dein Auszubildender (im Falle der Volljährigkeit – bei Minderjährigen ist Mehrarbeit verboten) eventuell Überstunden gesammelt, die er abbummeln könnte?6 Diese könnten für Tage aufgehoben werden, an dem es ihm nicht gut geht – so kann er eher gehen.
- Möglich wäre aber auch den Urlaub ganz oder teilweise in die Zeit des Ramadans zu verlegen. Der Gesetzgeber empfiehlt zwar bei minderjährigen Auszubildenden, dass der Urlaub während der Berufsschulferien gegeben werden soll7 – aber die letztliche Entscheidung liegt natürlich beim Auszubildenden und deinem Unternehmen.
- Es gäbe auch die Möglichkeit, dem Auszubildenden flexiblere Arbeitszeiten während des Ramadans anzubieten. Daraus könnten allerdings Konflikte mit den Vorgaben aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) resultieren, wenn du dadurch andere Auszubildende benachteiligst.
- Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, kannst du deinen Auszubildenden auch bitten das Fasten zu verschieben. Wie ich oben schrieb, gilt das Fastengebot für Reisende bzw. Abwesende nicht. In diesem Fall können die Tage verschoben werden.
Huhu Daniel,
ich hoffe meine Antworten haben dir geholfen – wenn nicht, schreib mir unbedingt noch mal! Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du und Mustafa alles vorher klären könnt und er den Ramadan gut übersteht. Natürlich ist aus Sicht von Nicht-Muslimen vielleicht seltsam, dass Menschen so etwas auf sich nehmen und wir als Ausbildende das tolerieren müssen. Aber ich denke, dass Mustafa am Ramadan auch persönlich wachsen kann und viele Persönlichkeitskompetenzen (wie Durchhaltevermögen und Willenskraft) gefördert werden, die später auch dir und deinem Unternehmen zugutekommen.
Liebe Grüße,
Katja
Quellen:
- Quelle: Statistiken zum Thema Muslime & Islam, auf: https://de.statista.com/themen/878/muslime-und-islam/; abgerufen am 23. März 2019
- Quelle: Ramadan 2018: Wie lange Muslime in Europa täglich fasten, auf: https://de.statista.com/infografik/13894/fastenzeit-waehrend-des-ramadan/; abgerufen am 23. März 2019
- Quelle: Ramadan – (k)ein Problem für Arbeitgeber und -nehmer?, auf: https://www.kulturradio.de/programm/schema/sendungen/kulturtermin/archiv/20180518_1904.html; abgerufen am 23.März 2019
- Quelle: § 7 Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers – Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz), auf: https://www.gesetze-im-internet.de/entgfg/__7.html; abgerufen am 23. März 2019
- Quelle: BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 24.2.2011, 2 AZR 636/09 – Kündigung wegen Glaubenskonflikts, auf: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=15389; abgerufen am 23. März 2019
- Quelle: § 17 Vergütungsanspruch – Berufsbildungsgesetz (BBiG), auf: https://www.gesetze-im-internet.de/bbig_2005/__17.html; abgerufen am 23. März 2019
- Quelle: § 19 Urlaub – Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz – JArbSchG), auf: https://www.gesetze-im-internet.de/jarbschg/__19.html; abgerufen am 23. März 2019
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