Schadensersatz

Huhu

Wenn ich die Frage “Müssen Auszubildende für Schäden haften?” stelle, bekomme ich normalerweise zwei Antworten:

Entweder

  • “Sicher nicht, sie verdienen ja so wenig” oder
  • “Na klar!”

Doch wie immer liegt die Wahrheit in der Mitte. Wo der Gesetzgeber unterscheidet und was du über Schadensersatzansprüche an Auszubildende als (werdender) Ausbilder wissen musst, erfährst du in diesem Artikel.

Fahrlässigkeit oder Vorsatz? – Das ist hier die Frage

Diese Frage beschäftigt nicht nur Ausbilder, Ausbildende und Auszubildende regelmäßig, sondern auch Gerichte. Und genau hier ist die Unterscheidung zu treffen:

  • Ist es leichte Fahrlässigkeit?
  • Mittlere Fahrlässigkeit?
  • Grobe Fahrlässigkeit?
  • Oder Vorsatz?

Wo der Unterschied liegt und welche Konsequenzen das auf mögliche Schadensersatzansprüche an Ausbildende hat, zeigt die folgende Übersicht mit jeweils einem passenden Beispiel.

Form Hinweise
Leichte Fahrlässigkeit Dein Auszubildender ist Beifahrer im Firmenfahrzeug. Beim Aussteigen öffnet er die Tür unvorsichtig und stößt mit ihr an eine Wand. Dadurch entsteht ein Schaden an der Tür. 

Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Auszubildende gegenüber dem Ausbildenden 1 nicht. Diese liegt vor, wenn es sich um alltägliche Fehler handelt, die jedem noch so vorsichtigen Arbeitnehmer unterlaufen könnten.
Mittlere Fahrlässigkeit Dein Auszubildender fährt selbst mit dem Firmenfahrzeug und stellt während der Fahrt einen anderen Radiosender ein. Dadurch ist er abgelenkt, übersieht eine rote Ampel und verursacht einen Auffahrunfall. 

Sofern eine mittlere Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, wird der Schaden anteilig zwischen dem Ausbildenden und Auszubildenden aufgeteilt. Diese liegt vor, wenn der Auszubildende sich bewusst ist, dass sein Verhalten zu einem
Schaden führen kann, dieser aber nicht unbedingt eintreten muss und er dadurch in dem Moment des Handelns darauf vertraut, dass alles gut ausgehen wird.
Grobe Fahrlässigkeit Dein Auszubildender fährt selbst mit dem Firmenfahrzeug – aber ohne Führerschein. Im Rahmen dessen baut er einen Unfall.

Sofern ihm eine grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, muss der Auszubildende für den Schaden im vollen Umfang aufkommen. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Auszubildende die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, obwohl dies im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
Vorsatz Führt dein Auszubildender mit Vorsatz und voller Absicht einen Schaden herbei, handelt es sich hierbei um Vorsatz. Auch in diesem Fall muss der Auszubildende (nach dem Beweis seines Vorsatzes) für den Schaden im vollen Umfang aufkommen.

Was bedeutet anteilig und voll bei Schadensersatzansprüchen an Auszubildende?

Bei diesen beiden Worten gibt es ebenso schnell Missverständnisse:

  • anteilig bedeutet nicht halb.
  • voll bedeutet nicht die ganze Summe.
Wichtig Hinweise
anteilig bedeutet nicht 50/50 Prozent Die in sol­chen Fällen ge­bo­te­ne “Auf­tei­lung” des Scha­dens zwi­schen Ausbildenden und Auszubildenden bedeutet nicht automatisch, dass die Ar­beits­ge­rich­te den Schaden “Halbe Halbe” aufteilen. Stattdessen werden alle Umstände in dem vorliegen Fall betrachtet, wodurch es nicht selten zu einer weit­ge­hen­den Ent­las­tung des Auszubildenden kommt. So­gar die hun­dert­pro­zen­ti­ge Ent­las­tung ist nach der Recht­spre­chung ei­ne mögli­che Va­ri­an­te der “Scha­dens­tei­lung”. 2  Um den Auszubildenden finanziell nicht zu überfordern, belaufen sich viele Urteile über einen Schadensersatz in Höhe einer halben bis vollen monatlichen Ausbildungsvergütung.

Beispiel:
 1 Monat = 600 Euro
Möglich in diesem Fall: 300 bis 600 Euro
voll bedeutet nicht 100 Prozent des Schadens Denn zum einen machen Ar­beits­ge­rich­te manchmal auch bei gro­ber Fahrlässig­keit Ausnahmen von der vol­len Haf­tung zu­guns­ten des Auszubildenden, z. B. dann, wenn die Höhe der Ausbildungsvergütung in keinem Verhältnis zur Scha­denshöhe steht oder auch wenn der Ausbildende da­zu bei­ge­tra­gen hat, dass der Scha­den so hoch aus­ge­fal­len ist. 3 Um den Auszubildenden finanziell nicht zu überfordern, belaufen sich viele Urteile über einen Schadensersatz in Höhe von höchstens drei monatlichen Ausbildungsvergütung.

Beispiel:
 1 Monat = 600 Euro
Möglich in diesem Fall: maximal 1.800 Euro

Darf der Schadensersatz von der Ausbildungsvergütung abgezogen werden?

In den meisten Fällen nicht, da die Ausbildungsvergütung oftmals unter der Pfändungsfreigrenze liegt und dadurch unangreifbar ist. Dieser liegt derzeit (Stand Januar 2018) bei 1.139,99 Euro. 4

Ausnahmen gibt es nach Ansicht der derzeitgen Rechtssprechnung bei einer vorsätzlichen Schadensherführung. 5

Ein persönlicher Rat: Ich würde allerdings strikt davon abraten die Ausbildungsvergütung einfach einzubehalten! Vorallem auch ohne entsprechenden Titel

Was tun, wenn der Auszubildende den Schadensersatz nicht zahlt?

Zunächst möchte ich natürlich betonen, dass ein junger Mensch mit geringer Ausbildungsvergütung (oder je nach Sachverhalt dann gar keiner mehr, weil du ihn entlassen hast), hohe Raten nur schwer Zahlen kann.

Hast du aber einen entsprechenden Titel vorliegen hast, kannst du ganz unkompliziert einen elektronischen Gerichtsvollzieherauftrag zuzustellen. Hast du zunächst jedoch nur gültige Vereinbarung über eine (auch vom Auszubildenden anerkannte) Ratenzahlung, musst du zunächst einen Mahnbescheid beantragen. Wenn die Frist des Bescheids ohne Widerspruch abläuft, kannst du einen Vollstreckungsbescheid beantragen, der Grundlage für die Bestellung des Gerichtsvollziehers ist.

Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Gerichtsvollzieher, Mahnbescheid und ähnliches sind “Tipps” die wir so niemals geben – aber es soll ja auch ein vollständiger Artikel werden 🙂

Hat der Ausbildende einen Anspruch auf Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses?

Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Ausbildende oder Auszubildende Schadensersatz verlangen, wenn die andere Vertragspartei den Grund für die Auflösung fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt hat. 6

Dazu gehören z. B. die Kosten für die Neubesetzung des Ausbildungsplatzes

Dies gilt allerdings beispielsweise nicht 7,

  • wenn der Ausbildende anführt, dass die Arbeitsleistung des Auszubildenden unzureichend wäre,
  • im Falle einer fristgemäßen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses wegen Berufswechsels oder Berufsaufgabe,
  • einer vorzeitigen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses während oder zum Ablauf der Probezeit,
  • wenn ein Aufhebungsvertrag ohne Vorbehalt von Schadensersatzansprüchen abgeschlossen wurde,
  • oder falls der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wurde.

Auszubildene dürfen aber auch Fehler machen! Mit diesem Artikel möchte ich nicht anregen, Auszubildende ständig zu Schadensersatz heranzuziehen. Im Gegenteil, er soll lediglich als Information dienen, wo Möglichkeiten und Grenzen sind. Auszubildende sind in erster Linie in der Ausbildung um etwas zu lernen – und bekanntlich fallen dort Spähne, wo gehobelt wird. Sei dir daher immer deiner Verantwortung als Ausbilder bewusst. Du als Ausbilder hast dafür Sorge zu tragen, dass dein Auszubildender alles lernt – inklusive persönlicher Schlüsselkompetenzen wie Ordnung, Genauigkeit und Verantwortungsbewusstsein – das Quell für durchdachtes Handeln im beruflichen Alltag. Darüber hinaus hast du bei der Vergabe von Aufgaben immer dafür zu sorgen, dass kein größeres Risiko besteht. So räumst du Fallen direkt aus.

PS: Und natürlich musst du vor allem, wenn Aufgaben noch neu sind, immer ein Auge auf das Ergebnis haben – denn dafür bist du als Ausbilder verantwortlich.

Quellen:

  1. Quelle: DAR 2004 Heft 8, 476 – 479, Auszug auf: http://www.verwaltungspraxis.jurion.de/ordnungsrecht/?user_aktuelles_pi1%5Baid%5D=52322&cHash=387bd539d595d005f5a6907d060c902a; abgerufen am 29. Januar 2018
  2. Quelle: HENSCHE: Haf­tung des Ar­beit­neh­mers, auf: https://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Handbuch_Haftung_Arbeitnehmer.html; abgerufen am 29. Januar 2018
  3. Quelle: HENSCHE: Haf­tung des Ar­beit­neh­mers, auf: https://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Handbuch_Haftung_Arbeitnehmer.html; abgerufen am 29. Januar 2018
  4. Quelle: Kraus Ghendler Ruvinskij Anwaltskanzlei GbR: Pfändungstabelle, auf: https://anwalt-kg.de/privatinsolvenz-recht/privatinsolvenz/aktuelle-pfaendungstabelle-und-pfaendungsfreigrenzen/; abgerufen am 29. Januar 2018
  5. Quelle: IHK Düsseldorf: Haftung des Auszubildenden, auf: https://www.duesseldorf.ihk.de/produktmarken/Ausbildung/Ausbildung_von_A-Z/Haftung_des_Auszubildenden/2596756#titleInText2; abgerufen am 29. Januar 2018
  6. Quelle: § 23 Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung – BBiG, auf: https://www.gesetze-im-internet.de/bbig_2005/__23.html; abgerufen am 29. Januar 2018
  7. Quelle: Haufe: Berufsausbildungsvertrag: sonstige Beendigungsgründe / 4 Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses, auf: https://www.haufe.de/personal/personal-office-premium/berufsausbildungsvertrag-sonstige-beendigungsgruende-4-schadensersatz-bei-vorzeitiger-beendigung-des-berufsausbildungsverhaeltnisses_idesk_PI10413_HI568842.html; abgerufen am 29. Januar 2018

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