Darf ich einfach den Urlaub meines Auszubildenden verplanen?

In der langen Liste der typischen Praxisfragen gibt es auch viele zum Thema Urlaub. In der Regel halten sich Ausbildungsbetriebe relativ bedeckt, Fragen kommen eher von unseren Kunden oder von Auszubildenden, die sich über den Tisch gezogen fühlen. So auch bei dieser recht interessanten Fragestellung:

Manche Unternehmen haben, aus welchen innerbetrieblichen Gründen auch immer, Betriebsschließungen oder auch Betriebsferien. Daraus resultiert die Frage, ob ein Betrieb berechtigt ist, den Auszubildenden Urlaub einfach für die Zeit der Betriebsferien zu „verplanen“. Also:

Darf der Ausbildende den Urlaub des Auszubildenden verplanen? Zum Beispiel wegen der jährlichen Betriebsferien?

Jein. Zunächst schauen wir auf die rechtliche Lage: Für Auszubildende gilt, wenn sie minderjährig sind, das Jugendarbeitsschutzgesetz – in diesem werden Paragrafen aus dem Bundesurlaubsgesetz eingebunden.

Wir fragen uns also:

  • In welchem Rahmen darf der Betrieb den Urlaub verplanen?
  • Wie viel Urlaub muss den Auszubildenden zur freien Verfügung stehen?

Werfen wir nun einen Blick in das Bundesurlaubsgesetz § 7 (BurlG):

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen,
es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer
Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen[...]
(2) […] Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muss einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

Daraus können wir schließen, dass Urlaubswünsche zu berücksichtigen sind, aber dringende betriebliche Belange dieses Recht beschneiden können. Betriebsferien sind dringende betriebliche Belange, da schlicht keine Ausbildung mangels Mitarbeiter und Ausbilder stattfinden kann. Im zweiten Absatz steht, wenn mehr als 12 Werktage Urlaubsanspruch bestehen, müssen mindestens auch 12 Werktage als Urlaub aufeinanderfolgend gewährt werden. Allerdings steht hier nicht, welcher Teil gemeint ist: die Betriebsferien oder der individuelle Urlaub.

Was bedeutet das nun konkret für unseren Fall?

Wir schauen uns hierzu einfach mal ein Beispiel an:

  • Unser Auszubildender Tom ist 16 Jahre alt und
  • hat laut Jugendarbeitsschutzgesetz mindestens 27 Werktage Urlaub.
  • Der Betrieb schließt für den kompletten September 2020.
  • Werktage im September (Beispielhaft): 22

Beispielrechnung:

Es würden 22 seiner 27 Urlaubs(werk)tage verplant. Unter dem Strich bleiben ihm also 5 Werktage Urlaub zur freien Verfügung.

Wenden wir die Gesetze an:

Im Jugendarbeitsschutzgesetz ist formuliert, dass für Jugendliche die Regelungen aus § 7 des Bundesurlaubsgesetz gelten. Somit muss § 7 Abs. 2 angewandt werden: Tom hat einen rechtlichen Anspruch darauf, 12 Werktage am Stück Urlaub zu erhalten, egal ob das ein individueller Urlaub oder eben der Betriebsurlaub ist.

Da, nach der obigen Berechnung ,5 Werktage übrigbleiben, der Betriebsurlaub aber 22 Tage lang ist, sind die rechtlichen Voraussetzungen erstmal erfüllt.

Aber…

Wie so oft existieren auch noch viele andere Regelungen, beispielsweise durch Gerichtsurteile.

So hat das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurteil entschieden (28.07.1981 – 1 ABR 79/79), dass eine 3/5 Regelung anzuwenden ist. Dies bedeutet: 3/5 des Urlaubes kann vom Betrieb verplant werden. Aber 2/5 des Urlaubes muss dem Auszubildenden individuell zur Verfügung stehen.

Um wieder zu Tom zurückzukommen: Bei Anwendung der 2/5 kommt man grob auf 10 Werktage die individuell zur Verfügung stehen müssen. Um dies zu gewährleisten ist der Betrieb in der Pflicht und kann die entsprechenden fehlenden Urlaubstage (in unserem Fall 5) bezahlt freigeben, um der Rechtsprechung zu genügen.

Zusammengefasst

Der Betrieb darf tatsächlich Urlaub seiner Mitarbeiter verplanen, sofern dies aus betrieblichen Gründen notwendig ist. Durch ein Grundsatzurteil ist gesichert, dass jeder Arbeitnehmer (also auch unsere Auszubildenden) mindestens 2/5 ihres Jahresurlaubes zur freien Verfügung haben. Ist dies nicht möglich, muss der Betrieb dafür Sorgen, dass die 2/5 erreicht werden, also beispielsweise durch Freistellungen.

6 Kommentare

  1. Joshua

    Also darf mein chef mir nicht einfach frei geben, weil wenig zu tun ist (KEINE BETRIEBSFERIEN) und er gerne meinen urlaub weg haben will?

    Antworten
    • Heiko Schönefeld

      Hallo Joshua!

      Nein darf er nicht. Wenn zu wenig Arbeit im Betrieb vorhanden, du aber vor Ort und arbeitsbereit bist, ist das ein sogenanntes Betriebsrisiko und dein Chef muss dir die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit voll bezahlen (beispielsweise auch dann, wenn du nur doof herumstehen würdest). Korrekt bedeutet das: Wenn du deine Arbeitskraft anbietest und diese (vom Chef) nicht angenommen wird, bekommst du dein Geld. Die Rechtsgrundlage findet sich in § 615 BGB.

      […] und er gerne meinen urlaub weg haben will […]

      Das geht so natürlich nicht. Wie schon erwähnt ist es sein Betriebsrisiko und du musst nicht dafür geradestehen, wenn keine Arbeit da ist. Es gibt den sogenannten “Zwangsurlaub”, allerdings müssen dafür dringende betriebliche Belange vorhanden sein (etwa der Betriebsurlaub mit den Ausnahmen, die wir genannt haben). Und die Begründung, deinen Urlaub abzubauen, ist so aus unserer Sicht kein “dringender betrieblicher Grund”.

      Dazu noch das Bundesurlaubsgesetz §7:

      Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange […] entgegenstehen

      Mehr zum Thema gibt es auch bei WBS: https://www.wbs-law.de/arbeitsrecht/arbeitnehmer/zwangsurlaub/

      Falls du noch Fragen hast, melde dich gerne über das Kontakt-Formular oder als Antwort hier in den Kommentaren!

      Grüße
      Heiko

      Antworten
  2. Elora-Dana

    Mein Chef hat zwischen Weihnachten und Neujahr Betriebsurlaub gemacht, kann er mir jetzt so ohne weiteres 11 Tage vom neuen Urlaub abziehen? Ich muss dabei sagen das ich über 18 bin und dieses Jahr meine Abschlussprüfung habe.

    Antworten
    • Heiko Schönefeld

      Hallo und danke für deine Frage!
      Dein Chef darf tatsächlich deinen Urlaub mit Betriebsurlaub verrechnen, allerdings nicht den vollen Jahresurlaub! Der BGH findet 1/5 als Betriebsurlaub für angemessen. Ich kenne deinen Arbeits-/Ausbildungsvertrag nicht, also kannst du da mal schauen, wie viel Urlaub du hast.

      Wichtig: Du schreibst “vom neuen Urlaub” – das ist nicht zulässig, zumindest nicht für den Betriebsurlaub im Dezember. (§ 7 Bundesurlaubsgesetz Absatz 3 Satz 1

      Falls du ein paar Daten (Urlaubstage usw) mitteilen möchtest, schreibe doch einfach ein Ticket (https://ada2go.de/kontakt) und wir helfen dir! 🙂

      Grüße Heiko

      Antworten
  3. colint25

    Unser Betrieb hat nun 23 Tage von 30 verplant. Diese nicht am Stück aber die Wünsche des Arbeitnehmers wurden nicht berücksichtigt. Die Ausbildenden haben zu dem Urteil gemeint das dies nicht für Auszubildende gilt. 3 Wochen am Stück zur Hauptpreise Zeit als Betriebsurlaub zu planen ist wirklich bescheiden. Darf der Arbeitgeber nun dies durchsetzen? Der Erholungsurlaub ist so nun nicht gegeben, da der Arbeitsgeber dies bestimmt. Mit welcher Begründung kann ich die 23 Tage verwehren und nur die erforderlichen Tage als Betriebsurlaub einreichen?

    Antworten
    • Heiko Schönefeld

      Hallo und danke für die weiteren Informationen 🙂

      Wenn deine Ausbildenden sagen, ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts gilt für die Ausbildung nicht, dann sollten sie dringend einen Auffrischungskurs für ihre Ausbildereignung besuchen.

      Ich erkläre es dir mit den Daten, die du mir gegeben hast:

      Zuerst gilt das Bundesurlaubsgesetz auch für Ausbildungsverträge, egal ob der Azubi volljährig oder minderjährig ist. Für Minderjährige steht im Jugendarbeitsschutzgesetz unter Paragraf 19 (Urlaub):

      (4) Im übrigen gelten für den Urlaub der Jugendlichen § 3 Abs. 2, §§ 4 bis 12 und § 13 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes.

      Und bevor dein Ausbildender wieder irgendwas verdreht: “Im übrigen”, also nur ergänzend zu den Regelungen des JArbSchG.

      Im besagten Urlaub wird dem Arbeitnehmer (Auszubildenden) zugesichert, 2/5 seines Urlaubes selbst verplanen zu können. Also darf der Betrieb 3/5 verplanen. Du hast 30 Tage, also musst du 12 Urlaubstage zur freien Verfügung haben. 18 müsstest du dann hinnehmen. Egal, was dir irgendein Ausbilder erzählen will, das ist gesetzlicher Fakt.

      …bindet den Arbeitnehmer nur hinsichtlich von etwa 3/5 seines Jahresurlaubs, läßt ihm somit für 2/5 des Urlaubs die Freiheit, den Urlaubszeitpunkt im Rahmen des § 7 Abs. 1 BUrlG selbst zu bestimmen

      BAG, 28.07.1981 – 1 ABR 79/79

      Und wichtig: Du hattest geschrieben, dass der Betriebsurlaub komplett mit dem neuen Jahresurlaub (2023) verrechnet wird. Auch das ist nicht erlaubt. Der Begriff Jahresurlaub hat schon seine Bewandtnis: Der Ausbildungsbetrieb kann hier nicht wie er will hin und her rücken. Wenn die Betriebsferien (oder Teile davon) im Jahr 2022 stattfinden, muss hier auch der Urlaub aus 2022 verwendet werden – ein Übertrag ist nicht zulässig.

      Wenn du jetzt beispielsweise schon den kompletten Urlaub 2022 genommen hattest und dein Betrieb jetzt auf die Idee kommt, den neuen Jahresurlaub anzugreifen, ist das nicht rechtens.

      Was kannst du also tun?
      Sinnvoll ist erst mal ein Gespräch. Lass deine Eltern (sofern du minderjährig bist) einen Termin mit dem Ausbildenden machen und dann legt ihr die Fakten dar.

      Falls das nichts bringt, gibt es die simple Möglichkeit für dich, den Ausbildungsberater der zuständigen Stelle anzurufen oder dort vorbeizugehen. Jede Kammer (egal ob IHK, HWK oder andere) hat eine solche Person/Stelle und als Aufsichtsorgan ist es deren Pflicht, dich dann zu unterstützen und diese Missstände aufzulösen.

      Ich persönlich würde direkt den Kontakt zur Kammer (IHK/HWK) suchen. Da ich auch Prüfer bin, kann ich dir die Kontaktperson nennen, falls du mir sagen kannst, bei welcher Kammer du deine Ausbildungsprüfung ablegen wirst.

      Selbstverständlich kannst du diesen Text auch dem Ausbildenden vorlegen. Er kann sich bei Fragen oder zu einem kostenfreien Auffrischung-Coaching gerne direkt bei mir melden. 🙂

      Wenn Fragen sind, melde dich gerne wieder!

      Grüße
      Heiko

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