Wie ist das eigentlich wenn sich der Auszubildende im Internet nicht benimmt?

Das Internet ist schon klasse, oder? Unendliche Informationsvielfalt, Kontakte zu fremden Menschen (die man so nie zur Verfügung hätte) und Anonymität. Doch wie so oft im Leben können nicht alle Menschen mit dieser Freiheit umgehen. Vor allem junge Leute vergessen manchmal schnell, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Daher möchte ich in dem heutigen Artikel über zwei gerichtliche Entscheidungen zu dem Verhalten von Arbeitnehmern bzw. Auszubildenden im Internet, im Kontext ihrer beruflichen Tätigkeit, berichten und Tipps geben, wie du vorgehen kannst, wenn dein Azubi sein gutes Benehmen vergisst.

Fall 1 zum Thema Auszubildende im Internet: Meinungsfreiheit hat Grenzen

Den ersten Fall entdeckte ich in einem Artikel auf der Webseite der Kanzlei Schloms und Partner, indem es um einen 27-jährigen Auszubildenden geht, der seinen Arbeitgeber in der gleichnamigen Rubrik in seinem Facebook-Profil u. a. als Menschenschinder, Ausbeuter und Leibeigenen bezeichnete 1.

Autsch. Was man dem Auszubildenden zugutehalten muss: Er erwähnte nicht genau, wer dieser Ausbildende sei. Dennoch empfand der Arbeitgeber das Verhalten des Auszubildenden als unangemessen und kündigte fristlos. Bevor ich dir verrate, wie das Ganze ausging, möchte ich zunächst kurz zusammenfassen, welche Auffassungen sich in der Gerichtsverhandlung und anschließenden Berufung gegenüberstanden. Die Argumente des Auszubildenden:

  • das Unternehmen sei auf dem Facebook-Profil nicht ersichtlich
  • ebenso wenig, dass es sich dabei um ein Ausbildungsverhältnis handelte
  • die Formulierung sei keine Schmähung
  • auch wurde die Menschenwürde des Arbeitgebers nicht beleidigt
  • die Äußerungen seien lustig und übertrieben – daher nicht ernst zu nehmen
  • es sei ein Grundrecht, Kritik an sozialen, betrieblichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu äußern
  • es gab keine Abmahnung vor der fristlosen Kündigung
  • der Auszubildende forderte die Rücknahme der fristlosen Kündigung

Argumente des Ausbildenden:

  • die Entschuldigung sei beleidigend (auch im strafrechtlichen Sinne)
  • der Auszubildende habe diese Beleidigung bewusst getätigt und
  • geplant in das Profil auf Facebook in der persönlichen Beschreibung hinterlegt
  • der Auszubildende hätte ein paar Tage vor der Kündigung den Ausbildenden selbst darauf hingewiesen, dass er auf Facebook über seine Arbeit berichte
  • da der Auszubildende bereits 27 war und es sich bei dem Unternehmen um einen Kleinstbetrieb handelte, war die fristlose Kündigung gerechtfertigt
  • das Unternehmen beharrte auf die fristlose Kündigung

Zu den Urteilen:

In erster Instanz verlor das Unternehmen, da das Arbeitsgericht Bochum überzeugt war, dass die fristlose Kündigung nicht mit § 22 BBiG (“Kündigung”) vereinbar wäre 2.

Begründung:

  • Zwar sei eine grobe Beleidigung schon ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung,
  • die Formulierungen hätten auch einen beleidigenden Charakter und
  • seien keine Gesellschaftskritik sowie
  • die Angabe über den Arbeitgeber im Profil wäre eindeutig und auf den Ausbildenden zurückzuführen.

Aber … es hätten vor der Kündigung Kritikgespräche oder eine Abmahnung stattfinden müssen, um auf eine Einsicht und Verhaltensänderung beim Auszubildenden hinzuwirken (Stichwort: Erziehungsauftrag). Auch wären die Worte nicht persönlich an den Arbeitgeber gerichtet und das Profil voller nicht ernstzunehmender Aussagen. Daher wurde die fristlose Kündigung für unrechtmäßig erklärt und das Unternehmen zur Zahlung der Verfahrenskosten aufgefordert.

Das war es noch nicht: die Berufung

Die Firma nahm das Urteil nicht an, sondern legte Berufung beim Landesarbeitsgericht ein, da ihm nicht zumutbar war, das Ausbildungsverhältnis nach diesen Beleidigungen aufrechtzuerhalten. Weiterhin betonte das Unternehmen, dass der Auszubildende aufgrund seiner schlechten Leistungen in der Zwischenprüfung anscheinend ohnehin kein Interesse an der Ausbildung hätte.

Weitere Gründe:

  • In dem Kritikgespräch vor Bekanntwerden der Eintragungen habe der Auszubildende seinen Arbeitgeber direkt auf das Profil hingewiesen,
  • die 112 Facebook-Freunde des Azubis wissen mit Sicherheit, wo der junge Mensch arbeitet und demnach, wer dort als Menschenschinder und Ausbeuter bezeichnet wird,
  • die Facebook-Seite ist für jeden frei zugänglich – auch für Kunden,
  • der Auszubildende sei für einen Erziehungsauftrag zu alt und
  • das Vertrauensverhältnis zu dem Auszubildenden sei nachhaltig gestört.

Und wie ging es aus?

In zweiter Instanz urteilte das Landesarbeitsgericht Hamm, dass die Kündigung rechtmäßig sei 3, da

  • die Schriftform gewahr war und der Grund für die Entlassung, in der fristlosen Kündigung genannt worden,
  • die Beleidigungen in dem Facebook-Profil sind als solche zu werten und
  • entsprechen daher einem wichtigen Grund, der eine weitere Zusammenarbeit unmöglich macht.

Fall 2 zum Thema Auszubildende im Internet: Krankheit und Urlaub sind keine gute Mischung

Nur kurz vor diesem Fall hatte schon einmal das Verhalten einer 18-jährigen Auszubildenden auf Facebook für Trubel gesorgt: Mit den Worten “Ab zum Arzt und dann Koffer packen” verabschiedete sich die Gute auf ihrem privaten Profil in den geplanten Mallorca-Urlaub – inklusive Partybilder und einer frischen Tätowierung. Auch in diesem Fall reagierte das Unternehmen mit einer außerordentlichen Kündigung und der Frage “muss der Ausbildende es dulden, wenn ein Azubi anscheinend doch nicht krank, sondern im Urlaub ist?”.

Die Argumente der Auszubildenden:

  • Der Urlaub auf Mallorca sei schon geplant gewesen
  • sie trat ihn zwar trotz Krankschreibung an, aber in Absprache mit ihrem Arzt
  • der Aufenthalt im Warmen sollte sich positiv auf den Heilungsverlauf einer schweren Neurodermitis bzw. von psychosomatischen Symptomen auswirken, da sie auf der Arbeit gemobbt wurde
  • die Auszubildende forderte 355 Euro Ausbildungsvergütung und Urlaubsgeld

Argumente des Ausbildenden:

  • es sei nicht nachvollziehbar, wie Partys und Tätowierungen eine Heilung begünstigen
  • von einer Krankheit sei in dem Post nicht die Rede
  • die Erkrankung wirke vorgetäuscht
  • das Unternehmen widersprach der Forderung der Auszubildenden

Die Empfehlung des Arbeitsgerichts Düsseldorf:

In diesem Fall endete das Verfahren mit einem Vergleich zwischen dem Unternehmen und der Auszubildenden. Das Arbeitsgericht Düsseldorf 4 konnte der Argumentation der Auszubildenden nicht folgen, empfahl aber die Umwandlung der fristlosen in eine fristgerechte Kündigung, die Auszahlung von 150 Euro Ausbildungsvergütung und ein gutes Ausbildungszeugnis.

Das können Ausbilder und Ausbildende tun, wenn sich der Auszubildende im Internet nicht benimmt

  1. Die ersten Tage der Berufsausbildung sind ideal, um den Auszubildenden die Werte und Ziele des Unternehmens zu vermitteln. Lass das Potenzial nicht verstreichen und begeistere die jungen Menschen für dein Unternehmen – so verringerst du das Risiko von vornherein, dass überhaupt derartige Vorkommnisse geschehen.
  2. Sollte es dennoch dazu kommen: ausführliche Gespräche über die Hintergründe und mögliche Konsequenzen führen. In erster Linie haben Ausbildungsbetriebe einen Erziehungsauftrag, dem sie vorwiegend bei jungen Menschen nachkommen müssen.
  3. Inzwischen gibt es Knigge-Kurse für Auszubildende, in denen auch das Benehmen im Internet thematisiert wird. Vielen jungen Menschen ist ihr Wirkungsradius im Internet gar nicht bewusst,
  4. ebenso wenig, wie Partybilder und Co. im öffentlich einsehbaren Profil auf Kunden und Lieferanten wirken.
  5. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, zeigt die derzeitige Rechtssprechung, dass auch fristlose Kündigungen möglich sind – doch wäge hierbei im Vorfeld ab, ob diese Beendigung des Ausbildungsverhältnisses auch einer gerichtlichen Prüfung standhält. Alternativ kann auch ein Anwalt mit der Spezialisierung auf Arbeitsrecht derartige Fragen beantworten.

Quellen:

  1. http://www.jus-kanzlei.de/fileadmin/user_upload/PDF/Berufswelt_2012_15_06_2012_2_.pdf
  2. Urteil 3 Ca 1283/11, Arbeitsgericht Bochum
  3. Urteil 3 Sa 644/12, Landesarbeitsgericht Hamm
  4. 7 Ca 2591/11, Arbeitsgericht Düsseldorf

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