Frage: Können Smileys/ Emojis wie ein Bären-, Schweine- oder Affenkopf in Bezug auf einen leitenden Mitarbeiter als Beleidigung gewertet werden?
Antwort des LAG Baden-Württemberg: Ja!
Aktenzeichen:LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2016 – 4 Sa 5/16 1 2
Was war passiert?
- Ein leitender Mitarbeiter eines Maschinenbauunternehmen war wegen eines Arbeitsunfalls längerfristig arbeitsunfähig.
- Auf Facebook postete er seine Verletzung.
- Daraus entwickelte sich eine Diskussion mit 21 Personen, von denen sich einige mit Spitznamen und Tierabbildungen über verschiedene Führungskräfte des Unternehmens lustig machten.
- Die einen finden die Smileys/ Emojis in Form von Bären-, Schweine- oder Affenköpfen niedlich, die anderen nutzen es als Beleidigung. Einige Beispiele aus dem vorliegenden Fall:
- „fettes 🐖“
- „Span🐖“
- 🐻 oder 🐒
Was war die Konsequenz? -> Kündigung
- Das Unternehmen reagierte am 3. August 2015 mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
- Der Betriebsrat widersprach den Kündigungen bzw. äußerte Bedenken.
- Einige Tage später wurde eine hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31. März 2016 ausgesprochen
- Der Mitarbeiter reichte daraufhin am 11. August 2015 eine Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung ein. Eine weitere Kündigungsschutzklage gegen die fristgerechte Kündigung wurde am 17. August 2015 eingereicht.
Was sagt das Gericht dazu?
- Das Arbeitsgericht gab der darauf folgenden Kündigungsschutzklage statt und verurteilte das Unternehmen zur Weiterbeschäftigung des besagten Mitarbeiters.
- Die Nutzung der oben aufgelisteten Smileys stelle zwar eine Beleidigung dar,
- doch der Mitarbeiter sei schon seit 16 Jahren in dem Unternehmen angestellt und war noch nie auffällig.
- Daher sei das Interesse an einer Weiterbeschäftigung als wichtiger zu bewerten als das Interesse des Unternehmens, dem Mitarbeiter zu kündigen.
- Eine Abmahnung wäre aber durchs möglich gewesen3, da eine Person durch die Nutzung solcher Smileys/ Emojis herabgewürdigt und beleidigt wird.
- Die Abmahnung hätte den Mitarbeiter aller Wahrscheinlichkeit nach dazu gebracht, derartiges Verhalten nicht noch mal an den Tag zu legen.
- In der Berufungsinstanz betonte das Unternehmen den Umstand, dass der beleidigte Mitarbeiter sehr korpulent sei und aufgrund einer Knochenerkrankung sehr markante Gesichtszüge hätte (insbesondere eine breite Nase und Stirn sowie Hände). Daher hatte der Arbeitgeber die Kündigung für den Kommentator im Sinne seiner Fürsorgepflicht ausgesprochen.
- Das LAG Baden-Württemberg wertete die Beleidigungen der Führungskräfte als gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers, was grundsätzlich zu einer außerordentlichen Kündigung führen könnte.4
- Darüber hinaus floss die Art der Verbreitung der Beleidigung in das Urteil ein. Der Kommentar entstand in der Facebook-Chronik des beleidigten leitendes Angestellten. Daher hatte der Mitarbeiter keine Kontrolle über den Grad der Verbreitung gehabt.
- Das LAG Baden-Württemberg rügte daher das Phänomen, dass immer mehr Menschen das vermeintlich anonyme Internet für beleidigende Kommentare nutzen.
- Unter Berücksichtigung aller Umstände sah das LAG Baden-Württemberg die Kündigung dennoch nicht als nicht verhältnismäßig an. Nach Ansicht des Gerichts könne nach einer 16 Jahre langen, beanstandungslosen Tätigkeit das Vertrauen in den Mitarbeiter nicht zerstört sein. Als Beweis für die überdurchschnittlich gute Bewertung des Mitarbeiters verwies das LAG auf eine überdurchschnittlich hohe Leistungszulage von 18,9 %. Aus diesem Grund hätte eine Abmahnung ausgereicht.
Was das für dich als Ausbilder oder Ausbilderin bedeutet? Wenn dein Auszubildender dich oder andere Mitarbeiter eures Unternehmens mit Smileys/ Emojis beleidigt, kannst du ihn dafür ermahnen und abmahnen. Eine Kündigung ist nach jetziger Rechtssprechung nicht so einfach möglich.
Quellen:
- Quelle: Geschäftsbericht 2016 Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, auf: http://www.lag-baden-wuerttemberg.de/pb/,Lde/Startseite/Medien/Geschaeftsbericht+2016+Landesarbeitsgericht+Baden-Wuerttemberg; abgerufen am 4. März 2019
- Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.06.2016 – 4 Sa 5/16: Beleidigung von Vorgesetzten in der Kommentarfunktion der Facebookchronik eines Arbeitskollegen mittels Emoticons. – Einzelfallentscheidung., auf: https://openjur.de/u/897858.html; abgerufen am 4. März 2019
- Quelle: BAG – 2 AZR 495/11: Außerordentliche Kündigung – Interessenabwägung – Abmahnungserfordernis, auf: https://www.bag-urteil.com/25-10-2012-bag-2-azr-49511/; abgerufen am 4. März 2019
- Quelle: Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 10.12.2009, Az.: 2 AZR 534/08: Im Kollegenkreis darf straflos gelästert werden, auf: https://www.jurion.de/urteile/bag/2009-12-10/2-azr-534_08/; abgerufen am 4. März 2019
Spannende Frage und spannender Fall!
Der Kontext und der Ton spielen die Musik. Ich nutze solche Emojis nicht als Beleidigung,
wenn ich Klartext reden will, oder mir jemand auf die Nerven geht, dann sage ich das direkt.
Aber ich kann verstehen, dass der oben genannte Fall als Beleidigung aufgefasst werden kann.
Huhu Michelle,
danke für deinen Kommentar. 🙂 Toll, dass du da deutlich direkter bist. Wäre der (nicht mehr) entlassene Mitarbeiter es gewesen, wäre ihm vielleicht viel erspart geblieben. Seine Argumentation war, dass er den Kollegen gar nicht meinte und erst recht nicht beleidigen wollte. Der Arbeitgeber und das Gericht sahen das in dem Fall aber anders.
Mal wieder ein klarer Beweis dafür, wie wichtig es ist, richtig zu kommunizieren. 😮
Liebe Grüße,
Katja